Prignitzreport 2018
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| In Havelberg hat der neue Besitzer des Lokschuppens inzwischen den Fachwerkteil des Wasserturms wieder aufgemauert.
| Rechtzeitig am Morgen in Mesendorf angereist, herrschte vor dem leider noch im Schatten liegenden Lokschuppen bereits emsige Betriebsamkeit. Die Lokpersonale machten ihre Maschinen für den Tag startklar. Als erste sollte die 99 4652 mit ihrem Zug nach Lindenberg aufbrechen. Der erste Wagen hinter der Lok, der 970-788, war mit einer Aufschrift versehen. Dieser Wagen hatte am 5. Mai bedingt durch den Fristablauf seinen letzten Einsatztag. Der original Rügenwagen kam 1994 zusammen mit der 99 4644 aus Neustrelitz in die Prignitz und wurde zunächst in Lindenberg als Austellungswagen über die Streckengeschichte des Pollos genutzt, bevor er seit 2002 nach einer Aufarbeitung in den Fahrdienst gelangte. Nun bekommt er erneut eine HU und verkehrt dann aber wieder auf der Insel Rügen. So kam dieser Zug dann noch unmittelbar nach dem Verlassen des Bahnhofs Mesendorf vor einem Rapsfeld als erster auf den Chip. Da ich kein Fotofreund von rückwärtsfahrenden Schlepptenderlokomotiven bin, fuhr ich nach Mesendorf zurück und schaute noch einmal beim Lokschuppen vorbei. Da traf ich auf einen älteren Herrn aus Tokio, der den weiten Weg in die Prignitz gewagt hatte. Leider war mit meinen rudimentären Schulenglischkenntnissen keine langatmige Unterhaltung möglich, aber ich bekam mit, dass er bereits 1973 erstmalig in der DDR zum Eisenbahnfotografieren war. Vor dem Lokschuppen stand inzwischen die 99 4511 für den zweiten Umlauf des Tages bereit. Die 99 1401 sollte dann als letzte Lok in den Plandienst gehen. So waren stets zwei Loks mit Zügen gegenläufig unterwegs und eine stets in Mesendorf zur Restaurierung. Da die zuerst rückwärtsfahrende 99 4652 die Rückleistung ab Lindenberg vorwärts antrat, machte ich mich auf nach Lindenberg zum dortigen Bahnhof. Auf der Wiese am Lindenberger Bahnhof hielten an dem Wochenende einige Königlich-Preußische Truppenverbände ein Biwak ab. Zur Abfahrt des ersten Zuges nach Lindenberg sollte der Bahnhofsvorsteher die Kanone abfeuern. Dies gelang leider nicht genau. Die preußischen Kanoniere waren es nicht gewohnt pünktlich nach Fahrplan zu feuern, aber der Knall, der dem Zug hinterher eilte, war dann doch recht laut. Dem ersten aus Lindenberg abfahrenden Zug mit der 99 4652 kam aus Mesendorf die 99 4511 entgegen und sie kreuzten einander in Brünkendorf. Da die 99 4511 bereits sehr oft auf dieser Strecke im Einsatz war, habe ich sie an den Tag nicht so sehr beachtet und mich eher um die beiden Schlepptenderlokomotiven bemüht. So kam dann nach der Rückankunft des Zuges mit der 99 4652 in Mesendorf die dritte Lok, die 99 1401, in den Fahrdienst. Auf dem ersten Bild rückt die Lok aus der Einsatzstelle aus. Die zweite Aufnahme zeigt sie bei der Einfahrt in den Kreuzungsbahnhof Brünkendorf, wo die Transportpolizei für die Absicherung des Bü zuständig war. So konnte der Gegenzug nach Mesendorf mit der 99 4511 unbeschadet den Bü passieren. Zwischenzeitlich hatten die preußischen Kanoniere auch die militärische Begleitung eines Zuges übernommen und ihre Kanone in einen Ow verladen. Das dürfte vermutlich der erste Truppentransport in der langen Geschichte der Prignitzer Schmalspurbahnen gewesen sein. Die 99 1401 brachte die Kanoniere wieder nach Lindenberg zurück, wo sie ihre Kanone ausluden. Dabei wurde ich zufällig Zeuge, wie man eiligst mir völlig unbekannte Kanonenmunition geschützt vor den Blicken der Zuschauer fortschaffte. Da ich als langjähriger Eisenbahnfreund nicht so mit den historischen Militärdiensten bewandert war, fragte ich einen neben mir stehenden Feldwebel, der das Ausladen beaufsichtigte, nach diesen merkwürdigen Geschossen. Er erklärte mir, das es sich hierbei um neuartige "Glashohlmantelgeschosse" handeln würde, die sich aber erst einmal in der Testphase befanden. Im Volksmund bezeichnet man sie auch als leere Bierflaschen. Zu der Jahreszeit konnte man auch in der Prignitz auf Rapsfelder hoffen und so waren am Tüchener Überweg, zwischen den Stationen Klenzenhof und Brünkendorf dieselben zu finden. Das lockte neben mir natürlich zahlreiche Fotofreunde an. Auf dem Weg dorthin hatte ich noch eine etwas ungewöhnliche tierische Begegnung. Der auf den Bü zuführende Sandweg war links mit Wald und rechts mit einem leeren Feld eingesäumt. Da dieser Weg natürlich etwas uneben war, fuhr ich in gemäßigtem Tempo dort entlang, als ich im rechten Augenwinkel auf dem Feld etwas Kleines bemerkte, was mich überholte und sich dann etwas später als Feldhase entpuppte. Ein schneller Blick auf den Tacho zeigte mir 30 km/h an, so das ich mal einschätzte, das mich der Hase mit gut 50 km/h überholte, dann einen 90 Grad Haken schlug, meinen Fahrweg kreuzte und im Wald verschwand. Nach dem letzten regulären Zug, verkehrte an dem Tag um 18 Uhr noch ein Sonderzug von Mesendorf nach Lindenberg, für die zur Festveranstaltung geladenen Gäste. Als Zuglok war die 99 1401 und die 99 4652 als Schlusslok eingeteilt. Zunächst war die 99 1401 in Mesendorf noch mit Rangieraufgaben für den Sonderzug beschäftigt. Bei Klenzenhof ist dieser Zug anschließend zu sehen. Im gut gefüllten Festzelt klang dieser erlebnisreiche Tag für alle aus. Ein Abriss der 25 Jahre Vereinstätigkeit zeigten noch einmal die Zwischenstationen von der Vereinsgründung bis zum heutigen Museumsbahnbetrieb auf. Einige Eisenbahnfreunde richteten Grußworte an die Gäste. Unter anderem war auch der Niederländer Ton Pruisen anwesend, der recht unterhaltsam von seinen damaligen Reisen zum Pollo in den 1960er Jahren berichtete. Ihm verdankt man heute etliche Filme, die er damals als 21 jähriger drehte. Um 22 Uhr war die Rückfahrt des Sonderzuges nach Mesendorf. Das preußische Militär saß in seinem Biwak am Lagerfeuer und leerte vermutlich so manche Bierflasche für die nächsten "Glashohlmantelgeschosse".
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